Brigitte Glaser: Leichenschmaus
Das nenne ich einen kulinarischen Krimi: In „Leichenschmaus“ geht’s nicht nur um die hektische Betriebsamkeit in einer Kölner Gourmet-Küche, hier werden sämtliche Opfer auch themengerecht umgebracht! Katharina Schweitzer arbeitet noch nicht lange im Haubenrestaurant „Goldener Ochse“, als auch schon die erste Leiche aufgetischt wird. Wie der schmuddelige und rotzige Polizist Fischer später feststellt, wurde das Opfer vergiftet. Als später auch noch der Küchenchef mittels Küchenmessers erstochen in einer Mülltonne gefunden wird, erhärtet sich der Verdacht, dass der Mörder aus der Brigade, der Küchenmannschaft, kommen muss. Angestiftet durch die rührige Zimmerwirtin Adela, eine pensionierte Hebamme, begibt sich Katharina auf Spurensuche und stößt auf homosexuelle Liebesbeziehungen und zwielichtige Geschäfte mit alten Autos. Brigitte Glaser entführt uns in die Welt der Haubenküche: Das Personal im „Goldenen Ochsen“ ist streng hierarchisch eingeteilt, der Platz eng, die Luft stickig, der Stress enorm und der Chef launisch. Aber mit alle dem kommt Katharina klar, nicht zuletzt weil sie ehrgeizig ist und die Anstellung im Haubenlokal als Karrieresprung nutzen will. Die junge Köchin ist aber auch eine beherzte, liebenswürdige Person und zudem auch imposant ausgestattet.
„Sie sind also Katharina Schweitzer! Irgendein Ire in der Familie, junge Frau?“
Kein Vorstellungsgespräch, in dem man mich nicht auf meine roten Haare ansprach! Die zweite übliche Frag zu meinem Aussehen stellt Spielmann nicht, was sicher an seiner eigenen Größe lag, er mochte gut einsneunzig sein, das heißt, er konnte auf meine einsachtzig bequem heruntergucken. Die dritte Frage hat noch nie einer ausgesprochen, die denken sich alle nur, sie betrifft mein Gewicht. Ich bin nämlich nicht schlank, sondern eher üppig und insgesamt eine ziemlich mächtige Erscheinung. Als graue Maus könnte ich mich nicht mal zu Karneval verkleiden.
Der Autorin gelingt es, sämtliche Charaktere gut rüber zu bringen. Der Roman lebt insbesondere von der etwas nervigen Adela, die Katharina immer wieder zu grenzwertigen Ermittlungen anstiftet, und natürlich von der Heldin selbst. Mit viel Augenzwinkern wird von der Gastroszene erzählt, auch vor Kochsendungen im Fernsehen wird nicht halt gemacht:
Ein Hauch von Glamour und Luxus ist doch wohl bei jeder Fernsehproduktion dabei, hatte ich als Laie gedacht, aber davon war in Ossendorf nichts zu spüren. Das Filmstudio lag in einem langweiligen Industriegebiet und war eines von vielen, die wie billige Mietswohnungen aneinander gereiht waren. In der Mitte unseres Studios befand sich eine größere Arbeitsfläche mit eingelassenem Kochfeld, dahinter eine Küchenzeile mit Kühlschrank und Backofen, frei in den Raum gestellt. An der Decke hing eine Armada von Scheinwerfern, und drei Kameras auf Stativen hielten wie Wachtürme das Küchenensemble in Schach.
„Herr Spielmann, schön, dass Sie da sind.“
Eine junge Frau mit „Lola-rennt“-rot gefärbtem Haar und einem Klemmbrett unter dem Arm begrüßte uns. Um den Hals trug sie eine in Plastik eingeschweißte Kennkarte. „Laura Hansen, Produktionsleitung“, stand darauf.
„Boeuf Stroganoff machen wir heute. Wir haben die Zutaten nach Ihrer Liste eingekauft. Die Sachen müssen noch zugeschnitten werden.“ […]
Die Produktionsleiterin zeigte mir alles, und bald stand ich in der Fernsehküche und schnitt Filetspitzen in Pommes-frites-Größe und Champignons in Scheiben. Das Fleisch wässerte schon beim Schneiden, Kraußler hätte so etwas nicht angerührt. Anstelle der Bamberger Hörnchen fand ich nur eine Tüte mit Supermarktkartoffeln.
„Wir machen Fernsehen, da ist der Geschmack egal. Aussehen tun alle Kartoffeln gleich!“ Mit diesen Worten wischte die Produktionsleiterin meine Einwände zunächst vom Tisch.
Die Frau hatte keine Ahnung. Bamberger Hörnchen haben einen kräftigen Goldton. An diesen Kartoffeln war nicht das zarteste Gelb.
„Spielmann schmeißt Ihnen die Kartoffeln in die Kamera. So was lässt er niemals als Bamberger Hörnchen durchgehen.“
„Okay. Ich schicke Ihnen die Maske.“
Weg war sie.
Mit Pinsel und Farbe malte die Frau von der Maske den blassen Kartoffeln einen kräftigen Goldton. Sie sahen nun tatsächlich aus wie Bamberger Hörnchen. So also wurde man vom Fernsehen betrogen.
„Leichenschmaus“ ist ein witziger und kurzweiliger Köln-Krimi mit einer sympathischen Heldin und liebevoll skizzierten Nebencharakteren. Spannung und Nervenkitzel wird man allerdings hier nicht finden. So werden knifflige Situationen mit unerwartet auftauchenden Rettern entschärft. Die Auflösung des Krimis, insbesonders das Tatmotiv, erscheint mir zu konstruiert um glaubwürdig zu sein. Dieser Krimi ist der Auftakt einer Serie rund um charmante Köchin Katharina Schweitzer.