Ohne Vorankündigung steht er plötzlich auf dem Feld vor der Stadt: „Le Cirque des Rêves“, der Zirkus der Träume, der nur zwischen Sonnenuntergang und Morgengrauen geöffnet hat. Die riesige Uhr am Eingangstor eröffnet das Fest der Sinne. In unzähligen schwarz-weiß gestreiften Zeltdächern, um einen großen Kessel mit magischem Feuer angeordnet, erwarten die Besucher unbegreifliche Attraktionen. Über der Zeltstadt schwebt der betörende Duft von gebrannten Mandeln, Zuckerwatte und kandierten Früchten. Doch die Manegen und Artisten, Imbiss-Buden und Illusionisten sind nicht nur zur Belustigung und Unterhaltung da. Ohne dass seine Gäste etwas davon ahnen, ist dieser Zirkus Bühne und Arena zweier alter, verfeindeten Magier. Um klarzustellen, wer von ihnen der bessere ist, lassen sie ihre Lehrlinge gegeneinader antreten. Nur einer von den Magiern kann gewinnen, nur ein Schützling überleben.
Hector Bowen ist „Prospero the Enchanter“, ein berühmter Zauberer, der seine wahre Begabung geschickt verschleiert. Eines Tages steht seine kleine Tochter vor der Tür, für die er nun – nach dem Tod der Mutter – sorgen muss. Es dauert nicht lange und Hector erkennt das magische Potenzial der kleinen Celia. Eine zerbrochene Tasse, die sich von selbst wieder zusammensetzt und verschütteter Tee, der vom Teppich in die Tasse zurück schwebt, sind nur der Auftakt.
Der Mann im grauen Anzug
Hector beginnt seine Tochter auszubilden und zu fördern. Was Celia noch nicht erkennt, sind die Ziele, die ihr Vater verfolgt: Er fordert seinen Gegenspieler, den geheimnisvollen Mr. A.H. zu einer Wette heraus. Celia soll gegen einen Lehrling, den sich der Mann im grauen Anzug selbst aussuchen kann, antreten.
„I could take any child off the street and teach them as much. Incomparable is a matter of your personal opinion, and easily disproved.“
„Ha!“ Hector exclaims. „Then you are willing to play.“
The man in the grey suit hesitates only a moment before he nods.
„Something a bit more complex than last time, and yes, I may be interested,“ he says. „Possibly.“
„Of course it will be more complex!“ Hector says. „I have a natural talent to play with. I’m not wagering that for anything simple.“
Bei diesem Spiel gibt es keine Regeln und es ist erst dann zu Ende, wenn nur noch ein Lehrling übrig ist. Als Austragungsort für ihren Wettstreit soll dafür ein Zirkus der besonderen Art geschaffen werden. Doch den beiden besessenen, alten Herren kommt eine Macht in die Quere, die ihre eigene bei Weitem übersteigt: die Macht der Liebe.
„This is a game, istn’t it?“ Celia asks. „It’s about how we ewal with the repercussions of magic when placed in a public venue, in a world that does not believe in such things. It’s a test of stamina and controll, not skill.“
„It’s a test oft strength,“ Hector says. „And you are weak. Weaker than I thought.“
„Then let me lose,“ she says. „I’m exhausted, Papa. I cannot do this any longer. It’s not as though you can gloat over a bottle of whiskey once a winner is declared.“
„A winner ist not declared, “ her father says. „The game is played out, not stopped. You should have figured that much out by now. You used to be somewhat clever.“
Celia glares at him, but at the same time she begins turning over his words in her mind, collecting the obsure non-answers about the rules he has given her over the years. Suddenly the shape of the elements he has always avoided becomes more distinct, the key unknown factor clear.
„The victor is the one left standing after the other can no longer endure,“ Celia says, the scope of it finally making devastating sense.
„That is gross generalization but I suppose it will suffice.“
Celia turns back to Marco’s flat, pressing her hand against the door.
„Stop behaving as though you love that boy,“ Hector says. „You are above such mundane things.“
„You are willing to sacrifice me for this, “ she says quietly. „To let me destroy myself just so you can attempt to prove a point. You tied me into this game knowing the stakes, and you let me think it was nothing but a simple challenge of skill.“
Ein außergewöhnlicher Debüt-Roman
Der Roman springt sowohl zeitlich als auch geografisch ständig vor und zurück. Er beginnt in New York im Jahr 1873, als Celia zu ihrem Vater geschickt wird, und endet in Paris 1903. Ebenso wechselt kapitelweise die Erzählperspektive und erst so nach und nach bekommt der Leser einen Eindruck von den Charakteren, die diese Geschichte auf verzweigten Wegen formen. Dieser Aufbau erfordert zwar eine gewisse Aufmerksamkeit und Konzentration seitens des Lesers, die Handlung gewinnt dabei jedoch an Spannung und Bedeutung. Im Kopf entsteht während des Lesens allmählich ein aus vielen Teilen bestehendes, fantastisches Puzzle. Morgensterns Beschreibungen und Dialoge machen den magischen Zauber ihres Buches komplett.
Dieser außergewöhnliche Debüt-Roman der amerikanischen Schriftstellerin (sie gab diesem Buch auch den passenden grafischen Touch), ist ein Geheimtipp für Fantasy-Fans, die sich nicht mit dem Mainstream zufriedengeben wollen.
„The Night Circus“ ist auch in deutscher Sprache unter dem Titel „Der Nachtzirkus“ erschienen.