Kriminalinspektor August Emmerich ist ein ruppig-rotziger Ermittler, der oft am Rande der Legalität ermittelt. Indem er nun den Bundeskanzler öffentlich beleidigt, treibt er es mit seiner Renitenz auf die Spitze. Als Konsequenz gibt’s für ihn einen 10-tägigen Disziplinarkurs in der Schwarzenbergkaserne. Wie wir wissen, kann das nicht gut ausgehen. Vor allem nicht mit dem verhassten Kollegen Brühl als Referenten. Und dabei hätte er so einen schönen Doppelmord aufzuklären.
„Das schwarze Band“ ist der 4. Teil der genialen Wien-Krimi-Serie mit dem brilliant-rüpelhaften August Emmerich. Wie auch in den Geschichten davor, beginnt auch diese ziemlich deprimierend für den Inspektor. Luise ist tot. Eine Informantin knöpft ihm das letzte Geld aus der Tasche (Emmerich hat grundsätzlich finanzielles Pech). Und um die 3 Kinder kann er sich mehr schlecht als recht kümmern. Und dann muss er auch noch mit 5 anderen Polizisten auf diesen unnötigen Fortbildungskurs – zur Besserung der Manieren und Umgangsformen. Der absolute Nullpunkt ist erreicht, als sein Kollege Brühl als Vortragender auftritt. Da kann einem ja das Gimpfte aufgehen…
So unschuldig wie ein Ministrant
Viel lieber würde Emmerich sich um den Doppelmord kümmern, denn der ist ganz sein Metier: Zwei Nackttänzerinnen aus Wiens Rotlichtszene liegen erschlagen in ihrer Wohnung. Die 3. Mieterin konnte die Flucht ergreifen und ist seitdem abgängig. Nun muss der redliche und Frauen gegenüber unbedarfte Assistent Winter den Fall allein bearbeiten. Und der führt ihn in zwei der verruchtesten Etablissements Wiens. Winter muss sich aber nicht nur gegen Wiens Unterwelt behaupten, sondern auch in der Abteilung Leib und Leben. Denn dort herrscht, seit Emmerich auf dem Abstellgleis ist, eine neue Ordnung. Dem jungen Assistent bleibt nicht viel übrig als seine Redlichkeit hinten an zu stellen und sich mehr wie sein Chef zu verhalten.
Emmerich zog seinen Pyjama an, das Licht verlosch, der Raum versank im Dunkeln. Nun konnte er sich die Geschehnisse des vergangenen Tages in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Beim Gedanken an Winter schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. Der Kleine hatte es also tatsächlich fertiggebracht zu lügen. Es schien, als wäre er endlich in der wirklichen Welt angekommen. Gute Manieren mochten hilfreich sein – doch schlecht waren es genauso.
Gleich am ersten Tag seiner Umerziehung kommen Emmerich Zweifel an dem Fortbildungskurs. Die Anzahl und Auswahl der Teilnehmer, Brühl als Referent und andere Indizien lassen darauf schließen, dass mit dem Kurs etwas faul ist. Richtet sich die Intrige gegen ihn? Wird er in Zukunft Botengänge und Kaffee machen als Mördern nachzulaufen? Oder steckt ein weit größeres Komplott dahinter? Zu welchem Zweck ist Emmerich in diesem Kurs? Und dann fällt der Seminarleiter vom Dach.
Es hat sich wieder einmal ganz Wien gegen Emmerich und Winter verschworen. Aber es gibt ein paar Verbündete. Grete, die gute Seele von Leib und Leben, sowie ihre Hühnerarmee helfen beim Recherchieren. Und Kolja, Ex-Gauner und Neo-Politiker, greift sprichwörtlich Winter unter die Arme und hilft ihm aus der Bredouille.
Die Geschichte in der Geschichte
Die politische Entwicklung, der Zeitgeist und die gespaltene Gesellschaft der 1920er in Wien – aus diesen Fäden knüpft Alex Beer ihre Krimis. „Das schwarze Band“ spielt in den Tagen vom 12. bis 15. Juli 1921. Wien litt damals unter einer außergewöhnlichen Hitzewelle, Johann Schober war Bundeskanzler und der West-Ungarn-Konflikt schwelte. Die junge Republik ist gerade mal 3 Jahre alt und Monarchisten versuchten, die Regierung zu stürzen. Vor diesem Hintergrund lässt Alex Beer ihren Helden ermitteln. Zudem reichert sie die Geschichte mit zahlreichen Details, die den Zeitgeist widerspiegeln, an: Inflation, Wohnungsnot, das Verbot von Luxusgütern wie Schlagsahne, die Preise für die Kutschentaxis und ein skandalöses Buch.
Es war wieder ein außerordentliches Lesevergnügen. Dieser Wien-Krimi ist authentisch, intelligent, witzig und spannend. Nicht umsonst zählt Alex Beer zu den erfolgreichsten Krimi-Autoren in Österreich. Wer August Emmerich noch nicht kennt, sollte beim ersten Band „Der zweite Reiter“ starten. Denn obwohl die Fälle eigenständig erzählt werden, ist Emmerichs Geschichte eine fortlaufende. Hoffen wir, dass der aktuelle Fall nicht sein letzter ist.
Wer Hörspiele mag, dem sei die vertonte Version empfohlen. Auch dieser Krimi wird gekonnt von Cornelius Obonya gelesen (lies dazu mehr in der Rezension „Die rote Frau“). Er verleiht jedem Charakter eine individuelle Stimme, gibt ihnen noch mehr Tiefe und der Geschichte noch mehr Atmosphäre. Ein gelungenes Hör-Kino!