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Georg Haderer: Ohnmachtspiele

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Mit Georg Haderer gesellt sich ein junger Autor zu der österreichischen Szene der Krimi-Autoren und das ist gut so! Denn solange es hoffnungsreichen Nachwuchs auf diesem Sektor gibt, können sich Bücherratten eines spannenden Lesestoffs sicher sein. Der aus Kitzbühel stammende und in Wien lebende Schriftsteller legt mit „Ohnmachtsspiele“ seinen zweiten Krimi-Roman vor, der sich – wie auch sein erstes Buch – vom Mainstream deutlich abhebt. Er überzeugt mit einer gut konstruierte Handlung, pointierten Seitenhieben auf die österreichische Gesellschaft/Politik und einem sorgfältig gesponnenen Protagonisten mit Ecken und Kanten.

Polizeimajor Schäfer von der Wiener Kriminaldirektion ist eigentlich im Krankenstand, genauer gesagt, in Therapie. Depressionen und Angstzustände plagen den Ermittler. Auch der Therapeut kann dem eigensinnigen Patienten nicht wirklich weiterhelfen. Als ihn sein Kollege Bergmann auf der Sprachbox die Nachricht hinterlässt, er sollte doch zu einer Wasserleiche am Alberner Hafen kommen (die Personal-Knappheit verlangt nach einem zusätzlichen Experten), begibt sich Schäfer ohne zu zögern an die Ufer der Donau. Vorerst sieht alles so aus, als ob die Leiche, die Lehrerin Sonja Ziermann, durch einen Unfall oder durch Selbstmord ums Leben gekommen wäre. Etwa später wird eine weitere, weibliche Wasserleiche gefunden. Dieses Mal allerdings wird die Frau ertrunken in der eigenen Badewanne gefunden. Bei dieser Toten schaut’s schon etwas mehr nach Fremdtötung aus. Noch etwas später gesellt sich zu den Frauen noch ein Drogensüchtiger, der in einem Wald verscharrt gefunden wird. Zu guter Letzt verunglückt auch noch der Mann des zweiten Opfers (die Frau in der Badewanne) mit dem Auto.

Vier Leichen, von denen man nicht weiß, was zu ihren Tod geführt hat und zwischen denen offenbar kein Zusammenhang besteht. Doch Schäfer ist clever und ziemlich kreativ, was Mordtheorien betrifft. Als beim vierten Opfer im Handschuhfach des Autos eine Spielkarte mit dem Bild des Laubkönigs gefunden wird, kommt Schäfer ins Grübeln… Kann es sein, dass sich der Mörder seine Opfer nach den Blättern der Schnapskarten aussucht?

„Ohnmachtspiele“ lebt durch seinen Protagonisten, dem Major Schäfer, einem sehr widerspenstigen Charakter: Durch seine Arbeit und seiner Erfolgsquote ist er so was wie ein Held, tief im Inneren fühlt er aber das Gegenteil. Psychische Belastungen in der Vergangenheit haben in nicht nur aus der beruflichen Spur geworfen. Und eigentlich mag er gar kein Polizist sondern lieber Kindergärtner sein. Aber Schäfer ist auch ein Beißer, ein Grantler und Dissident. Und er kann vor einer Aufgabe nicht flüchten. Schon gar nicht, wenn es um ein Verbrechen geht. Noch weniger, wenn jemand von weiter oben etwas anderes behauptet. Das ist es auch, was einen weiteren Konfliktstoff in diesem Roman hergibt. Haderer verknüpft die Kriminalgeschichte mit politischen Entwicklungen auf geschickt satirische Weise und ohne dabei den Leser oder die Handlung zu strapazieren.

Um fünf vor zehn machte sich Schäfer auf zu seinem Termin mit dem Oberst. Als er dessen Büro betrat, stand Kamp mit dem Rücken zu Schäfer und schaute durch die Glasfront auf die Stadt hinaus.
„Ich hatte gestern das Vergnügen, mit dem Polizeipräsidenten und dem Innenminister zu Abend zu essen“, begann er das Gespräch.
„Und? Hat wenigstens das Essen geschmeckt?“
Kamp drehte sich um und sah Schäfer durchdringend an.
„Hirschrücken … war ganz in Ordnung.“ Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch, deutete Schäfer, Platz zu nehmen, schaute an die Decke und seufzte.
„Es geht um die Statistik“, sagte er schließlich und sah Schäfer in die Augen.
„Zahlen … nicht schon wieder.“
„Doch, schon wieder … die Reform, das ‚Jahrhundertprojekt’, wie Minister Stöger meint, zeigt nicht den Erfolg, den er sich erwartet hat.“
„Na ja … Hitler war mit dem Zweiten Weltkrieg schlussendlich auch nicht ganz zufrieden.“
„Sparen Sie sich solche Bemerkungen, Major.“ Kamp richtete sich in seinem Sessel auf und stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch. „Wir wissen intern alle, woran wir sind und was der Minister mit dieser Reform angerichtet hat. Das alles ist eine … nun gut, auf jeden Fall wollen die Herren zum Jahreswechsel Bilanz ziehen und bei den Ressorts, die am meisten Öffentlichkeit haben, Verbesserungen präsentieren.“
„Die haben wir nicht.“
„Das ist mir auch klar. Es geht hier auch nicht um … Wirklichkeiten, sondern um eine Erfassung, die ein positives Licht auf unsere Arbeit und vor allem auf die Reform wirft.“
„Bilanzfälschung“, sagte Schäfer trocken. Kamp warf ihm einen leeren Blick zu, erhob sich aus seinem Sessel und ging wieder zum Fenster.
„Einbruch, Raub, Gewaltdelikte, das interessiert die Medien, und hier will der Innenminister zumindest keine Verschlechterung zum Vorjahr.“
„Und was heißt das für uns? Dass wir ein Leichranking machen und die Toten, die keinem auffallen, verschwinden lassen? Mit der Bestattungsnovelle fallen sowieso genug Fremdtötungen unter dem Tisch…“
„Das ist nicht belegt …“
„Na, wie soll auch belegt sein, was niemand belegen kann, weil nicht obduziert wird?“ machte Schäfer den Oberst auf diesen Widerspruch aufmerksam.
„Wie auch immer“, erwiderte Kamp müde, „es geht darum, Prioritäten zu setzen … vor allem im Hinblick auf unsere eingeschränkten Ressourcen. Der Fall dieser jungen Frau beispielsweise …“
„Sonja Ziermann …“
„Richtig. Das war offensichtlich ein Unfall“, sagte Kamp und fuhr nach einer Pause fort: „Ich kenne Sie jetzt lange genug, Schäfer, und ich weiß, wie Sie sich in einen Fall verbeißen können. Das ist auch genau das, was ich von einem guten Polizisten erwarte, aber …“
„Aber zum Jahresende hin schreiben wir ab, was wir abschreiben können, schauen, was als Selbstmord, Unfall oder natürlich durchgehen könnte, und machen dem Stöger ein nettes Weihnachtsgeschenk aus strahlenden Zahlen. Das ist keine Kriminalarbeit, das ist Politik.“
„Und was glauben Sie, wo Sie sich hier befinden? Auf Gut Schäfersloh? Diese Anweisungen kommen nicht von mir, das wissen Sie. Und Sie wissen auch, dass es eine Befehlskette gibt und in welche Richtung die verläuft. Also räumen Sie bitte Ihre Akten auf, schließen Sie diesen Fall ab, bringen Sie diese beiden Fälle vom Sommer ins Reine, setzen Sie Ihre Leute auf die wesentlichen Aufgaben an und unterstützen Sie mich, so gut Sie können, um diesem Chaos hier Herr zu werden. Ich habe Sie oft genug gedeckt, Schäfer, ohne mich hätten sie allein in den letzten beiden Monaten zwei Disziplinarverfahren am Hals gehabt, also springen Sie jetzt einmal über Ihren Schatten und befolgen Sie die Instruktionen. In zwei Jahren sind Wahlen, dann alles wieder ganz anders aussehen. Bis dahin heiß es durchhalten.“
„Wahlen, ja … das haben wir beim letzten schwarzen Innenminister auch gehofft, dass es nach den Wahlen besser wird… und? Der neue ist noch der größere Idiot … diese ignoranten, bonierten …“
„Darüber könne wir gern einmal außerhalb der Dienstzeit reden, Major“, unterbrach ihn Kamp, „seien Sie ein bisschen vorsichtiger mit solchen Äußerungen“. Dann setze er sich wieder an seinen Schreibtisch und schlug eine Aktenmappe auf.

Liebhaber österreichischer Krimis sollten Georg Haderer unbedingt im Auge behalten. Wir hoffen, dass es noch viel, viel Stoff von diesem ambitionierten Autor geben wird! „Ohnmachtspiele“ sowie der erste Krimi „Schäfers Qualen“ sind im Haymon Verlag (Innsbruck) erschienen.

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