Wenn ein Salzburger seinen ersten Krimi schreibt, auf welcher Bühne würde er wohl das Verbrechen spielen lassen? Richtig: auf den berühmten Brettern der Salzburger Festspiele. Als Kulisse hat sich der Autor und Journalist Manfred Baumann den „Jedermann“ ausgesucht, das berühmte Mysterienspiel von Hugo v. Hofmannsthal, das seit 1920 jedes Jahr auf der Freilichtbühne vor dem Salzburger Dom aufgeführt wird. Und auf diese prominente Bühne wird die Polizei in den frühen Morgenstunden zu einem ebenso berühmten Toten gerufen. Es ist der „Tod“ des Jedermann in Form des exzentrischen Regisseurs und Schauspielers Hans Dieter Hackner, der mit einem Dolch erstochen und ohne Schuhe aufgefunden wird.
Als Chef-Ermittler tritt Baumanns Protagonist Martin Merana ins Rampenlicht. Seine Beharrlichkeit kommt ihm bei diesem Fall zugute, denn nun hat er es mit dem Salzburger Festspiel-Milieu zu tun, wo Heimlichkeiten und Vertuschung fast schon zum guten Ton gehören. Martin Merana ist fast schon ein klassischer Detektiv: Beharrlich und mit viel Köpfchen geht er an seine Arbeit, privat hat er noch mit Geistern aus der Vergangenheit zu kämpfen, die auch seine gegenwärtige Beziehung belasten. Merana ist ein Mann mit Stärken und Schwächen und mit ebenso viel Eigenheiten. Der Leser kann sich gut in die Figur hineinfühlen und empfindet schnell Sympathie für ihn.
Der Mord an einem berühmten Schauspiel-Künstler führt den Ermittler in ein Milieu, mit dem er bisher überhaupt nicht in Berührung gekommen ist und das für ihn zunächst auch nicht greifbar ist: Eitle Schauspieler und Intendanten (kurz: Schickimickipromis) erschweren die Suche nach der Wahrheit, Presse-Leute und Rechtsanwälte kaschieren so manche Fakten oder lassen sie ganz unter den Tisch fallen und zu guter Letzt bringt sich auch noch die Politik selbst ins Spiel.
„Jedermanntod“ ist ein flott erzählter Krimi mit viel Salzburger Lokalkolorit. Die Ermittlungsarbeit sowie die Stadt Salzburg stehen im Zentrum der Handlung. Der Protagonist ist gefällig, die Stadt hingegen kommt – trotz barockem Flair – weniger sympathisch rüber:
Wenn schon Vögel, dachte Merana, dann Aasgeier. Aber keine Tauben. Allerdings – rein zoologisch betrachtet – war die Salzburger Altstadt kein Biotop für Aasgeier. Zumindest nicht für gefiederte. Für andere schon eher. Für Aasgeier im Lodenmantel zum Beispiel. Nur hockten sich die nicht um fünf Uhr früh auf die Jedermann-Bühne vor dem Dom, um einer Leiche die Augen auszuhacken.
An Toten haben die Salzburger Aasgeier wenig Interesse. Tote geben nichts her. Kaufen keine Souvenirs. Essen keine Pommes frites. Zahlen keinen Eintritt. Tote interessieren die Salzburger Aasgeier nur, wenn sie so berühmt sind, dass man ihr Bild auf Marzinpankugeln und Likörflaschen kleben kann. Und solche Tote sind meist 200 Jahre alt.
Aber die Leiche hier war frisch.