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Simon Beckett: Leichenblässe

leichenblässe

Fans von David Hunter haben auf den dritten Teil der Krimi-Serie rund um den Forensiker etwas warten müssen. Dafür knüpft „Leichenblässe“ ohne großen, inhaltlichen Zeitsprung an den zweiten Teil – „Kalte Asche“ – an: Hunter ist einem mörderischen Anschlag nur sehr knapp entronnen. Noch ziemlich traumatisiert reist er von London nach Tennessee, um dort den notwendigen Abstand zu den Geschehnissen zu bekommen. Er soll dort – im Auftrag seines ehemaligen Uni-Professors Tom Lieberman – auf einer Body Farm Untersuchungen durchführen. Body Farmen (und diese gibt es auch in Wirklichkeit) sind Forschungsstationen, die den Zerfall des menschlichen Körpers untersuchen. Doch den der Wissenschaft dienenden Leichen folgen bald halb-verrottete Menschen, die nicht auf natürliche Weise gestorben sind. Den Auftakt macht ein bis zur Unkenntlichkeit entstellter Körper, der in einer Waldhütte gefunden wird. Übersät mit Schmeißfliegenlarven und mit bereits sich von den Knochen loslösender Haut bietet er wahrlich keine Augen- und Nasenweide. Aber liegt die Leiche wirklich schon so lange in der prallen Hitze, wie sie den Anschein erweckt? Auch wenn Hunter und sein Lehrer noch lange im Dunkeln tappen – eines ist sicher: Sie müssen sich beeilen, denn es stellt sich heraus, dass der Serienkiller es auch auf sie abgesehen hat. Das Schöne an der Hunter-Serie ist, dass man nicht nur mit Spannung beglückt wird sondern auch mit zusätzlicher Information über den Verfall des menschlichen Körpers. Wird in „Chemie des Todes“ (1. Teil) über die verschiedenen Stadien des Zerfalls noch eher allgemein berichtet, konzentriert sich Beckett in „Kalte Asche“ auf die Einwirkung von großer Hitze auf den toten Körper. Im dritten Teil spielt die Verhaltensweise unserer (toten) Haut die wesentliche Rolle:

Wenn der Körper stirbt, laufen die Enzyme, die das Leben unter Kontrolle gehalten hat, Amok. Sie zerstören die Zellwände und lassen deren wässrige Inhalte entweichen. Diese Flüssigkeiten steigen an die Oberfläche und sammeln sich unter den Hautschichten, die dadurch gelockert werden.

Haut und Körper, bis zu diesem Zeitpunkt zwei wesentliche Teile eines Ganzen, beginnen sich zu trennen. Blasen entstehen. Vollständige Hautabschnitte verrutschen und werden vom Körper abgeworfen wie ein überflüssiger Mantel an einem Sonntag.

Doch selbst tot und abgestreift behält die Haut Spuren ihrer früheren Identität. Noch jetzt kann sie eine Geschichte erzählen und Geheimnisse bewahren.

Vorausgesetzt, man weiß, wonach man schauen muss.

Anders als „Kalte Asche“ es vermag, konnte dieser Roman mich nicht ganz in seinen Bann ziehen. Hunters Hadern mit der Vergangenheit, die Beziehung zu Tom, die attraktive Agentin in Blond und die kalte Ablehnung der heimischen Polizei haben fast mehr Gewicht als das Werk des psychopathischen Serienmörders. Und das macht die Geschichte – trotz eindeutigem Ekel-Faktor – unaufgeregter und eintöniger. Zudem kommt es mir vor, als hätte er sich bei der Verteilung der Charaktere zu sehr auf Klischees verlassen: der arrogante und gefeierte Star-Profiler, der knurrige Polizist, der väterliche Professor, usw. Und obwohl Beckett es mit allerlei technischen Tricks schafft, gegen Ende noch eine Überraschung zu präsentieren, überzeugt der Roman trotzdem nicht so ganz. Anders als bei den Vorgängern wird’s hier nie wirklich nägelknabbernd spannend.

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