Ein forensisches Institut in einer trostlosen Moorlandschaft von East Anglia: Als der Chef-Biologie in seinem Labor ermordet wird, weint ihm niemand eine Träne nach. Denn Dr. Lorrimer war ein gefühlloser und fieser Zeitgenosse. So ziemlich jeder seiner Kolleginnen und Kollegen hat ein Motiv, ihm den Schädel einzuschlagen.
Der Roman beginnt mit einem alltäglichen Fall für die Polizei: In einer Kalkgrube wird ein junges Mädchen ermordet aufgefunden. Die Spurensicherung ist bereits bei der Arbeit, der Detective Inspector rückt an, der Pathologe wird aus dem Bett geholt. Die wissenschaftliche Untersuchung der gesammelten Spuren ist für die Mitarbeiter des forensischen Labors von Hoggatt Routine. Es ist eine kleine Gemeinschaft in Hoggatt, ein Mikrokosmos des täglichen Lebens mit all den zwischenmenschlichen Gefühlen und Beziehungen. Das Institut ist etwas abgelegen in einem alten Backsteinhaus untergebracht, unweit davon steht eine kleine Kapelle.
Obsessionen und Lügen
Und während die Forensiker und Wissenschafter ihrer Arbeit nachgehen, passiert ein zweiter Mord. Das Opfer ist der leitende Biologe Dr. Lorrimer. Sein Tod wird nicht gerade betrauert, manchen kommt sein Tod sogar zugute. Der Kreis der Verdächtigen ist bald festgelegt: Da gibt es den eifersüchtigen Chef des Instituts, dessen Schwester eine mehr als unschickliche Affäre mit dem Toten hatte, die lesbische Cousine in Geldnöten, der Junior-Biologe, der unter dem perfektionistisch-egozentrischen Charakter Lorrimers zu leiden hatte und der Dokumentenprüfer, der mit ihm kurz zuvor eine handgreifliche Auseinandersetzung hatte.
Für die Mordermittlungen wird Scotland Yard gerufen und der erfahrene wie schweigsame Chief Inspector Adam Dalgliesh eingeflogen. Mit Akribie durchforstet er das Institut und sein Personal. Er begegnet bei seinen Befragungen einer Persönlichkeitsstörung nach der anderen: Lorrimer hatte einen Hang zum zwanghaften Perfektionismus, die Putzfrau Angst vor Telefonen, der Junior-Biologe ist emotional instabil, die Tochter des Pathologen irgendwie seltsam, die lesbische Geliebte apathisch und die Schwester des Chefs eine selbstzerstörerische Nymphomanin … Dalgliesh, der in seiner Freizeit Gedichte schreibt, muss sich erst durch sämtliche Obsessionen, Neurosen, Lügen und mörderischen Motiven durchwühlen.
„Das Problem bei einer religiösen Erziehung für eine gottlose Person wie mich ist, dass man sein Leben lang das Gefühl nicht los wird, dass man etwas verloren hat und nicht, dass es nicht vorhanden ist.“
Psychologisch ausgefeilt
Mit diesem Krimi erwartet euch eine klassische Detektivgeschichte aus England der 1970er Jahre. „Der Tod eines Sachverständigen“ ist der 6. Band der Adam Dalgliesh-Serie von P. D. James. Der Krimi folgt der Tradition der klassischen Detektivgeschichte. James legt ihr Augenmerk auf die Ermittlungsarbeit und auf die Beschreibung menschlicher Abgründe. Gerade ihr trockener Schreibstil, der ab und zu von intellektuellem Humor unterbrochen wird, und die detaillierten Beschreibungen von Land und Leute, erfreuen auch heute noch so manches Krimi-Lese-Herz.
P. D. (Phyllis Dorothy) James wurde 1920 in Oxford geboren. Sie arbeitete unter anderem in der Polizeiabteilung und in der Abteilung für Kriminalpolitik des Innenministeriums. Das erklärt den Fokus auf die polizeiliche Ermittlungsarbeit in ihren Krimis. Beeinflusst von den damaligen Krimi-Schriftstellerinnen Agatha Christie, Dorothy L. Sayer, Josephine Trey und andere, schrieb sie zwischen 1962 und 2008 zahlreiche Kriminalromane. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, wie zum Beispiel den Grandmaster Award der Mystery Writers of America und die Ehrenmedaille des National Arts Club für Literatur. Ihr wichtigster Protagonist ist neben der Privatdetektivin Cordelia Gray der verwitwete Chief Inspector mit Hang zur Poesie Adam Dalgliesh.