Deutschland, 13. Jahrhundert: Kaiser Friedrich II. steht nicht nur im Clinch mit Papst Gregor IX. sondern misstraut auch seinem Sohn Heinrich, dem römisch-deutschen König. Es ist die Zeit der Inquisition, der gnadenlosen Verfolgung unbequemer Zeitgenossen. Donata, eine junge Frau und Buchmalerin gerät zwischen die Fronten politischer und religiöser Machtkämpfe. Schon seit vier Jahren wird sie durch die Lande gejagd. Auf der Flucht beobachtet sie zufällig den Mord an dem berüchtigten Inquisitor Gisbert, durchgeführt von niemand geringerem als dem Kardinal Enzio von Trient. Kardinal Enzio von Trient hat eigenwillige Pläne: Zusammen mit dem deutschen König Heinrich will er Kaiser Friedrich II. stürzen und sich selbst zum Papst machen. Als er bemerkt, dass sein Mord an den Inquisitor Gisbert von einem jungen Mann beobachtet wird, lässt er nach ihm suchen. Bald stellt sich heraus, dass es eine junge Frau ist, die – als Mann verkleidet – auf der Flucht ist. Denn Donata wird bereits als Ketzerin gesucht. Aber nicht nur der skrupellose Kardinal heftet sich auf Donatas Fersen. Auch ein Spion Friedrichs wird auf das Mädchen aufmerksam. Roger, der im Auftrag Friedrichs mehr über Heinrichs Komplott gegen den Kaiser und den Papst in Erfahrung bringen soll, merkt bald, dass sein und Donatas Schicksal miteinander verknüpft sind.
Donata, aufgewachsen in einem Kloster, wo sie auch das Schreibhandwerk erlernt hat, wird als Ketzerin quer durch Deutschland gejagt. Obwohl sie noch sehr jung ist, gelingt es ihr immer wieder ihren Häschern ein Schnippchen zu schlagen. Ihr größter (und einziger) Besitz sind ihre Schreibutensilien, denn Donata ist mehr als nur eine Schreiberin. Sie ist eine begnadete Künstlerin, die bestrebt ist, die Dinge so darzustellen, wie sie sind.
„Warum schaut ihr so?“ Roger hatte die Hand, in der er das Hasenstück hielt, sinken lassen. „E ist, als wolltet Ihr Euch das, was Ihr seht, einverleiben …, um es auf irgendeine Weise zu gebrauchen. Aber was habt Ihr davon, wenn Ihr Euch Gesichter oder Dinge merkt?“ Seine Stimme klang herausfordernd.
Donata antwortete nicht.
„Sicher, Ihr seid Buchmalerin…“
Donata hörte auf zu essen. Vor ihr auf dem Boden überdeckte eine dünne, puderige Schichte den alten Schnee. Weißlich, mit einer winzigen Beimischung von Rosa und Blaugrau und durchsetzt von Lichtpunkten.
„Aber Ihr gebt die Dinge ja nicht so wieder, wie Ihr sie seht. Außer vielleicht, was die Pflanzen in einem Herbarium anbelangt.“ Roger sprach weiter, seine Stimme klang immer noch herausfordern. „Es ist ja nicht mehr üblich, Menschen und Dinge so darzustellen wie sie sind…“
Donata hob den Kopf. Friedrichs Spitzel hatte den Arm auf seine Knie gestützt und betrachtete sie abwägend. Gegen ihren Willen frage sie: „Was meint Ihr damit? Es sei nicht mehr gebräuchlich, Dinge und Menschen so wiederzugeben, wie sie sind?“
„Roger zuckte die Schultern.“ Bei den Römern war das anders. Sie haben Menschen wirklich abgebildet. Mit allen Merkmalen, die ein bestimmter Mensch besitzt … An verschiedenen Orten im Süden habe ich etwa steinerne Büsten von Cato gesehen, einem römischen Redner. Die Büsten waren verschieden. Aber sie zeigten unverkennbar Cato.“
„Als Kind habe ich einmal den Kopf einer Statue gefunden. Auf einem Feld, von Unkraut überwuchert. Er glich einem Menschen …“, erwiderte Donata zögernd. Sie erinnerte sich wieder an das Staunen und die unbestimmte Sehnsucht, die sie damals erfasst hatte, und an die albigensische Predigerin, die das Unkraut wieder über die Büste gezerrt und erklärt hatte, dass es Sünde sei, die Welt abzubilden, denn die Welt sei schlecht. „Auf eine gewisse Weise ähnelte diese Büste dem Kardinal von Trient …“ Sie sah wieder überdeutlich Enzios Gesicht vor sich, als er das Messer in den Inquisitor gestoßen hatte, kalt und grausam und erfüllt von einer Freude an der Qual des Mönches.
Als Donata unfreiwillig den Mord an den Inquisitor beobachtet, ist es tiefster Winter. Hunger und Kälte zwingen sie, eine Arbeit als Schreiber in einem Kloster anzunehmen. Doch drei andere Schreiber neiden ihr diese Anstellung und setzen ihr zu: Als die drei Donata in einer Scheune in die Mangel nehmen, beginnt die Scheune zu brennen. Donata kann durch die Hilfe Rogers fliehen. Völlig erschöpft und ausgehungert kommt sie nach Köln und lernt dort die Beginen kennen. Doch auch in Köln kommt sie dem Kardinal in die Quere und sie flüchtet weiter. Auch Roger gerät immer näher ins Visier des Kardinals. Seine Tarnung fliegt auf und es scheint, dass nur noch Glück den beiden helfen kann, dem Scheiterhaufen zu entrinnen.
„Die Buchmalerin“ ist ein spannender und schlüssiger Historienroman. Die Autorin schafft einen guten Einblick in die damalige von Aberglauben und Verrat geprägte Zeit. Historische Fakten, wie das Ränkespiel zwischen Politik und Religion und die Rolle der unwissenden, verarmten Bevölkerung, hat Beate Sauer mit ein bisschen Liebesgeschichte und vielen spannenden Szenen verbunden und glaubwürdig vermittelt.