Dieser meisterliche Roman ist das englischen Pendant zu „The Great Gatsby“. Aus der Ich-Perspektive erzählt der Held Charles Ryder seine Erlebnisse in England der 1920er- und 1930er-Jahre und damit zusammenhängend den Zerfall des Adels in einer Zeit des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs. Es ist eine Geschichte, in der Snobs und Dandys im letzten Glanz des englischen Empires dem Hedonismus frönen, bis der Krieg das Licht in der heilen Upperclass-Welt ausknipst.
Als der Offizier Charles Ryder während des 2. Weltkriegs mit seiner Kompanie ein neues Quartier bezieht, erkennt er es als das mittlerweile aufgelassene und dem Zerfall preisgegebenen Schloss Brideshead. Charles erinnert sich, wie er das erste Mal hier war: vor mehr als 20 Jahren, als junger Student, zusammen mit Sebastian.
Wir befanden uns am Eingang eines Tals. Eine halbe Meile entfernt, grau und golden inmitten eines Schutzwalls aus Gebüsch, schimmerten Kuppel und Säulen eines alten herrschaftlichen Hauses.
„Na?“, sagte Sebastian und hielt den Wagen an. Jenseits der Kuppel und im Schutz der sanften Hügel ringsum waren mehrere hintereinanderliegende Wasserflächen zu erkennen.
„Na?“
„Was für ein Leben, an so einem Ort!“, rief ich.
„Warte, bis den Garten und den Springbrunnen gesehen hast.“
Er beugte sich vor und schaltete den Motor an. „Meine Familie wohnt da“, und schon damals, als ich noch ganz verzaubert von dem Anblick war, spürte ich einen Moment lang einen ahnungsvollen Schauder bei seiner Wortwahl – nicht: „Das ist mein Zuhause“, sondern: „Meine Familie wohnt da.“
Als Sohn eines Londoner Kunsthändlers kommt Charles aus der Mittelschicht. Sein Vater ist weder arm noch reich; das ihm zur Verfügung gestellte Studiengeld muss streng eingeteilt werden. Kaum hat Charles sein Studium in Oxford begonnen, lernt er den feudal lebenden Adel kennen, unter anderem den exzentrischen Lebenskünstler und Aristokratensohn Lord Sebastian Flyte.
Zwischen den beiden jungen Männern entwickelt sich ziemlich rasch eine Freundschaft mit unterschwelligen, homoerotischen Zügen (was ziemlich viel Spielraum für Interpretationen zulässt). Aufgrund seiner Beziehung zu Sebastian wird Charles auf das Anwesen der Familie Marchmain, Schloss Brideshead, eingeladen und in die adlige Welt des dekadenten Müßiggangs eingeführt. Dem Schlosshaushalt, der durchaus unserer romantischen Vorstellung eines eleganten englischen Landsitzes entspricht, steht Sebastians Mutter, die erzkatholische Lady Marchmain, vor. Von ihrem Mann, der mit seiner Geliebten in Venedig lebt, will sie sich schon allein durch ihren Glauben nicht trennen. Sebastians hübsche Schwester Julia hingegeben genießt wie ihr Bruder das Leben in vollen Zügen und ihr Selbstbewusstsein wirkt auf Charles sehr anziehend. Es ist eine Zeit der Sorglosigkeit und scheinbarer Idylle.
Doch bald erscheinen die ersten Risse: Charles lebt über seine Verhältnisse, was dem bereits unterkühlten Verhältnis zu seinem Vater nicht besonders dienlich ist. Sebastian beginnt sich zu distanzieren: erst von Charles, dann auch von seiner Familie. Die begehrenswerte Julia heiratet den reichen Rex Mottram, einem ehrgeizigen Unternehmer und Politiker. Zu spät erkennt sie seinen wahren Charakter. Und so verläuft die Entwicklung der Protagonisten völlig unterschiedlich, bis sich ihre Wege vollständig trennen. Während Charles sich als Maler etabliert, versinkt Lord Sebastian im afrikanischen Nirgendwo, ist auf die Almosen seiner Schwester abhängig und verfällt zusehends dem Alkoholismus.
Wiedersehen mit Brideshead ist ein Roman – und es gibt deren nicht viele -, in den man sich verlieben kann. Auch wenn es vielleicht nicht Liebe auf den ersten Block ist. Wer diesem Roman verfällt, verfällt ihm nach allen Regeln der Liebe, wenn schon nicht nach allen Regeln der Kunst. Nachwort Daniel Kampa
Für mich ist „Wiedersehen mit Brideshead“ ein gern gelesener Klassiker der englischen Literatur im 20. Jahrhundert. Wie viele andere Lieblinge von der Insel auch, erzählt dieser ebenfalls von etwas sehr typisch Britischem in der Literatur, nämlich von dem Schicksal einer (in diesem Fall katholischen) Familie. Diese „moderne“ Version des Landhausromans bzw. Lebensabschnittsgeschichte (1945 erschienen) ist geschickt konstruiert und gut erzählt – in einer anspruchsvollen Sprache, die etwas gewöhnungsbedürftig ist. Manche Stellen haben mich auch schmunzeln lassen: Wie Waugh etwa den Prototypen eines Dandys, den stotternden Anthony Blanche, skizziert, oder – der Exzentrik wegen – Sebastian mit einem Teddybären namens Aloysius ausstattet; oder auch die zwischen den Zeilen stattfindenden Gespräche zwischen Charles und seinem Vater. Ja, Waugh hätte – wie manche Kritiker meinen – durchaus die religiöse Komponente streichen können, um sein Werk publikumswirksamer zu machen. Aber der Katholizismus ist Teil der Tragödie und ein für den agnostischen Charles bestimmter Reibungspunkt.