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Florian Herb: Der Tag, an dem Lotto-Klara in mein Taxi stieg

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„Seien Sie bitte so freundlich und fahren Sie mich nach Paris!“ Von diesem Satz träumt wohl jeder deutsche Taxifahrer. Für den unglücklichen Alvaro – in der Nacht zuvor ist er mit Heimweh nach Andalusien und einer handfesten Lebenskrise aufgewacht – ist es die Gelegenheit, seinem Leben in Berlin eine willkommene Wendung zu geben. Zumal das neue Taxi, ein knalloranger 69er Chevrolet Camaro, wie geschaffen ist für eine Kutschenfahrt durch halb Europa. Sein Fahrgast, der die Bitte um die Fahrt nach Paris etwas schüchtern ausspricht, ist die 60-jährige Klara Lüdtke. Alvaro ist schnell angetan von der kleinen Dame in Mintgrün, etwas seltsam kommt sie ihm aber dennoch vor. Mit unzähligen Koffern ausgestattet, hält sie eine Zuckerdose in der einen, die Stange eines geblümten Trolley in der anderen Hand. Was der Berliner Taxifahrer mit spanischen Wurzeln noch nicht weiß, ist, dass Klara still und heimlich mit einer Million Euro von ihrem Zuhause ausgebüxt ist.

Klara ist das wandelnde Klischee einer sich aufopfernden Mutter und Hausfrau. Ihr sechzigsten Geburtstag bringt allerdings das Fass zum Überlaufen. Der Anstoß dafür ist das eher unfreiwillige Geburtstagsgeschenk ihres Sohnes Rüdiger. Das achtlos hingeworfene Brieflos offenbart sich nämlich als Hauptgewinn. Als bei Kaffee und Kuchen Klaras Ehemann und ihre beiden erwachsenen Kinder darum streiten, wie sie das Geld für sich verwenden werden, reift in Klara ein mutiger Plan. Sie hat genug von Herd und Staubsauger, ihrem stupiden Ehemann und den ewig nörgelnden Kindern. Still und heimlich holt sie ihren Lottogewinn ab und stürmt das Warenhaus Bolle, um sich für die Reise nach Paris – die Stadt der Liebe – komplett neu einkleiden zu lassen.

In Alvaro findet Klara den passenden Reisegefährten. Charmant und klug ist er, der 26-jährige Spanier, der vor zehn Jahren vor der Wirtschaftskrise in seinem Heimatland nach Berlin geflüchtet ist und als Taxifahrer arbeitet. Die Fahrt nach Paris wird zu einem abenteuerlichen Spaß und sie beschließen ihre Tour fortzusetzen. Sie kutschieren weiter gegen Süden: nach Nizza, Barcelona und letztendlich Andalusien, die Heimat Alvaros.

Bald merkt das Pärchen, dass es nicht alleine auf seiner verrückten Tour ist. Auf ihren Fersen heftet sich Klaras Familie, erbost darüber, dass die Ehefrau und Mutter mit einem Haufen heiß begehrter Kohle abgehauen ist und sich nun ein schönes Leben macht. Und auch Alvaros Chef Cemal ist nicht glücklich über die Fahrt seines Angestellten mit dem exquisiten Ami-Schlitten. Zusammen mit der bärtigen Kerstin, die sich Sorgen um Alvaros Seelenzustand macht, nimmt auch er die Verfolgung auf.

Ein perfektes Buch für heiße Tage am Strand, im Freibad, auf dem Balkon oder noch besser im Auto auf der Fahrt zum Mittelmeer: „Der Tag, an dem Lotto-Klara in mein Taxi stieg“ ist eine bezaubernde Komödie mit mediterranem Postkarten-Wetter. Sie ist eine flockig-leichte Road-Novel, die von der Suche nach Selbstbestimmung mit allerlei schrägen Begegnungen und Begebenheiten erzählt. Die Geschichte garantiert mit seinen liebenswerten Charakteren, die das Herz am richtigen Fleck haben, und den pointierten Beschreibungen mitteleuropäischer Ess- und Fahrgewohnheiten unbeschwerte und vergnügliche Lesestunden.

Nur der Preis, den Klara zu begleichen hatte, erinnerte an das, was die französische Küche eigentlich zu leisten vermochte.

In Paris einen Parkplatz zu ergattern glich der Wahrscheinlichkeit, in Niederbayern ein veganes Restaurant ausfindig zu machen.

Der Pariser Autobahnring schlängelte sich um die Stadt herum wie der biblische Leviathan, den es erst zu überwinden galt, bevor man das verheißungsvolle Innere betreten durfte. Sich als Ortsfremder auf den vierspurigen Bahnen zurechtzufinden gleich einem Glücksspiel.

„Der will uns betrügen, Frau Lüdtke! Stellen Sie sich vor, der verlangt siebzehn Euro vierzig für einen Milchkaffee und ein Hörnchen!“

Jedes dritte Geschäft war eine Apotheke oder eine orthopädische Fachhandlung, die Restaurants warben mit deutscher Hausmannskost, Bäckereien priesen selbstgemachtes Sauerteigbrot an, vor den Kiosken lagen die bekannten internationalen Boulevardzeitungen aus und an jeder Ecke betonte eine Arzt- oder Physiotherapiepraxis Ihre Englisch- oder Deutschkenntnisse. Wo war nur all das Spanische geblieben?

Florian Herb lebt seit vier Jahren als Berliner im Allgäu und ist neben seinem „Beruf“ Hausmann Autor, der im Ullstein Verlag veröffentlicht.

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