Im August 2005 fegte der Hurrikan Katrina über das Mississippidelta und hinterließ eine tiefe Spur der Zerstörung. „Vor dem Sturm“ erzählt von den elf Tagen, die Katrina vorangehen. Im Mittelpunkt steht die vierzehn Jahre alte Icherzählerin Esch. Der Roman beginnt mit der Geburt von fünf Welpen. Und damit, dass Esch bemerkt, dass sie vom Nachbarsjungen schwanger ist. Jeder von den Geschwistern lebt mit den eigenen Problemen und versucht damit fertig zu werden. Und so glauben sie dem Vater, der die nahende Katastrophe voraussieht, erst viel zu spät. Der Vater, der ein paar Tage vor dem Sturm zwei Finger verliert, ist nicht in der Lage das Haus zu sichern. Um zu fliehen, hat die Familie kein Geld. Und so kommt am elften Tag zuerst der Sturm, dann das Wasser.
„Der Sturm hat jetzt einen Namen. Wie immer, wenn es schlimm kommt, ist es eine Frau. Katrina.“
„Es gibt einen neuen Sturm?“, fragt Randall.
„Was glaubst du, wovon ich die ganze Zeit geredet hab? Ich wusste, dass er kommt“, sagt Daddy. Wie immer, wenn es schlimm kommt, wiederhole ich. Eine Frau.
Esch, ihr Vater und ihre drei Brüder, leben abgeschieden in einer zugemüllten Bruchbude in der Nähe des Mississippis. Mutter gibt es keine mehr. Sie ist bei der Geburt des jüngsten Sohnes, Junior, gestorben. Der Vater ist arbeitslos und Alkoholiker. Unfähig, für seine Familie zu sorgen, ernähren sich die Kinder von Dosenerbsen und trockenen Nudeln. Um an Geld zu kommen, nimmt Skeetah, der zweitälteste Bruder, mit seinem Pitbull China an Hundewettkämpfe statt. Randall, Eschs ältester Bruder, spielt in einer Basketball-Mannschaft, in der Hoffnung dadurch ein Stipendium zu erhalten.
Trotz der tristen sozialen Verhältnisse, in der die schwarze Familie lebt, hat der Roman keinen negativen oder lamentierenden Unterton. Im Gegenteil. Die Geschwister sind sich gegenseitig verbunden, helfen einander, haben Meinungsverschiedenheiten und raufen sich anschließend wieder zusammen. Dieser Zusammenhalt gilt auch für ihren Freundeskreis. Aber es geht auch nicht anders. Alleine hätte man wohl keine Chance und keine Zukunft. Diese Solidarität, die in der Handlung durch viele Begebenheiten und Situationen ausgedrückt wird, ist berührend, weil sie – trotz des Elends – Zuversicht verspüren lässt.
Jesmyn Ward erzählt mit viel Gefühl und Wärme. Hundekämpfe, Eschs Schwangerschaft, der Einbruch in das Haus des Nachbarn, der Unfall des Vaters, eine Rauferei in der Turnhalle und viele andere Ereignisse machen dieses Buch zu einem packenden Leseerlebnis. Eine echte Empfehlung!
Jesmyn Ward wuchs in DeLisle, Mississippi, auf. Nach einem Literaturstudium in Michigan war sie Stipendiatin in Stanford und Writer in Residence an der University of Mississippi und lehrt derzeit Creative Writing an der University of South Alabama. Ihr zweiter Roman Vor dem Sturm erhielt den National Book Award sowie mehrere weitere Auszeichnungen als bester Roman des Jahres 2011 und wurde in den USA zum Bestseller.
Wir bedanken uns bei Weltbild.at für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar. „Vor dem Sturm“ ist im Verlag Antje Kunstmann erschienen.